Am 01.06.2016 habe ich mich mit dem Bus auf den Weg nach San Carlos de Bolivar gemacht. Der Nachtbus fuhr um 22.00 h in Cordoba ab und war um 09.00 h in Bolivar. Die Busse sind sehr bequem und ich habe ziemlich gut geschlafen.
In Bolivar hat mit Gaston Pando abgeholt, mir sein Haus gezeigt, meinen Platz, wo ich mich ausbreiten konnte und ist dann wieder arbeiten gegangen. Die grosse Werkstatt hat er offen gelassen, damit ich mich schon mal mit meinem Quad anfreunden könne.
Am Nachmittag hat er mir dann die wichtigsten Teile erklärt. Bevor ich dann eine kleine Tour unternehmen konnte, musste ich erstmal einen Radwechsel machen, denn der hintere rechte Pneu hatte ein Loch. Anschliessend ging es ein wenig um Bolivar herum, alles Naturstrassen, die so richtig schön verschlammt waren.
Der Mechanikerkurs war eigentlich sehr kurz. Aber was soll ich schon selber am Quad flicken können unterwegs. Das Wichtigste war schnell erklärt, Sicherungen, ein paar Dinge mehr.
Am Freitag nach dem Mittagessen sollte es dann so richtig losgehen. Wir haben die Maschinen in den Trailer gepack und noch auf zwei Freunde mit Motorrädern gewartet. Die Idee war, in Necochea am Meer in den Dünen eine Tour zu machen.
Von Bolivar bis Necochea sind es 5 Stunden Autofahrt. Wir hofften auf gutes Wetter, denn es hat die ganze Zeit geregnet. Am Hotel trafen wir dann noch auf eine Gruppe Quadfahrer aus Mar del Plata. So kamen schon mal 5 Quads und 2 Motorräder zusammen. Des weiteren haben sich zwei Motorradfahrer zu uns gesellt am Samstag morgen, um ebenfalls das Dünenspiel zu geniessen.
Thomas, ein Freund von Gaston aus Necochea sollte unser Supportfahrzeug nach San Cayetano fahren, wo wir uns nach dem Mittag alle wieder treffen wollten, ein wenig Pause machen und etwas essen.
Sehr schnell waren wir mit unseren Fahrzeugen am Strand und dann in den Dünen. Anfänglich nur kleine Hügelchen, die dann immer weiter in die Höhe wuchsen. „El medano blanco“ ist die berühmteste Düne von Necochea. 100 m hebt sie sich in die Höhe. Die Abfahrt auf der steilen Flanke war meine erste Mutprobe. Ich musste zweimal schlucken, bevor ich mich gefühlt senkrecht in die Tiefe wagte.
Abwechslungsreich ging es weiter. Zum Teil über mit Vegetation bewachsene Stellen. Das Kamelgras, welches hier wächst, hat mir sehr schnell gezeigt, dass man davon richtig gefangen werden kann, so dass man sich nur noch mit Mühe wieder aus den langen scharfen Blättern befreien kann.
Mein erster grosser Faux-Pas gab es dann an der Flussquerung. Die Flüsse waren auf Grund des Regens so stark angeschwollen, dass sie sehr tief waren. Gaston kam durch, ich habe mir seinen Weg genau gemerkt und dann den Raptor versenkt. Bei Wassertemperaturen von etwa 4 Grad ist es nicht gerade angenehm, wenn man dann absteigen muss. Ich hatte den Raptor dermassen erfolgreich versenkt, dass der Motor Wasser schluckte, die Ersatztanks an der Seite ebenfalls Wasser abbekamen und wir das Ding mit vereinten Kräften dann an Land zogen. Nun hatte ich den nächsten Mechkurs. Kerze raus, Anlasser betätigen und zuschauen, wie bei jedem Stoss aus dem Zylinder Wasser kam. Luftfilter raus, ausdrücken, Quad auf die Hinterräder stellen, so dass das Wasser auch aus dem Auspuff rausfliessen kann. Der Raptor hat mir diese Behandlung verziehen und lief auch wieder an. Es ging weiter, bis zum nächsten Fluss, der nicht weniger Wasser führte. Mein Mut war aber hier am Ufer nicht mehr der grösste, so dass ich durch Gaston den Quad überführen liess und selber zu Fuss den Fluss querte. Wieder wurden die Motocrossstiefel erfolgreich geflutet…
Inzwischen hatte ein anderer Quadfahrer auch seinen Probleme. Er hat einen Überschlag und die Maschine lief nicht mehr. Sie musste also abgeschleppt werden. Ein Motorrad hatte ein zerstörtes Vorderrad und ein anderes Motorrad wurde auch gerade wieder entwässert. Keine einfache Tour, sondern schon ziemlich hardcore, was wir da veranstaltet haben.
Mit einiger Zeitverzögerung ging es weiter. Ich hoffte nur noch, dass nicht noch ein Fluss kam. Es kam keiner mehr und dann irgendwann das kleine Dorf. Von unserem Supportfahrzeug war keine Spur zu sehen. Also haben wir uns in einem kleinen Laden mit Sandwiches versorgt und dann besprochen, wie wir den Heimweg antreten wollen.
Das kaputte Motorrad, der kaputte Quad blieben samt Fahrern im Ort. Irgendwann würde das Supportfahrzeug wieder aufgefunden werden. Der Rest der Truppe beschloss, am Strand entlang zurückzufahren nach Necochea. Etwa 70 Kilometer. Inzwischen war uns allen klar, dass wir es nicht mehr mit Tageslicht schaffen würden. Und die beiden Flüsse galt es auch wieder zu queren. Die Rückfahrt sollte in etwa 2 Stunden zu schaffen sein. Sollte.
Als wir nun wieder am Fluss waren, fasste ich bei der ersten Querung allen Mut zusammen und fuhr mein Fahrzeug selber durchs Wasser. Hurrraaaaaa! Gelungen. Bei der zweiten Flussquerung hatten wir nun das grosse Problem, dass es noch mehr Wasser hatte als auf dem Hinweg. Es wurden verschiedene Passagen ausprobiert und die Motorradfahrer haben es alle nicht geschafft, ohne nass zu werden. Ich habe all meinen Mut zusammen genommen, um meinen Raptor kurz vor Erreichen des Ufers wieder zu versenken… Aber diesmal ohne den Motor mit Wasser zu füllen.
Nun ging es flott weiter am Strand entlang. Ein weiteres Schauspiel belohnte diesen Ausflug. Wir sahen ziemlich nah am Ufer zwei Wale im Wasser spielen.
Das Fahren am Strand könnte man sich leicht vorstellen. Aber ist es nicht. Auch hier am Strand gibt es plötzlich Felsen und Steine, die man umkurven muss. Wir mussten auch zurück in die Dünen, um Felsbarrieren zu umfahren.
Irgendwann holte uns dann die Nacht ein. Quads und Licht im Dunkeln. Mit den Pfunzeln am Quad sieht man in den Dünen gar nichts mehr. Es ist wie ein Blindflug. Inzwischen hatte ich schon ein gewisses Verlangen, heil wieder ins Hotel zu kommen. Aber es nützte nichts. Es gab keine Abkürzungen, keine einfache Spur. Die Wege in den Dünen sind schmale Wannen, die auch noch mit Wasser gefüllt sein können. Keine Ahnung, wie tief die sind, aber zum Teil doch recht tief.
Gefährlich wurde es für uns, als wir immer der Küste entlang, plötzlich rechts die steigende Flut hatten und links eine Wand von Küste. Wir mussten schleunigst umkehren, uns einen Aufgang auf das Plateau suchen und von dort aus wieder durch die Dünen weiterfahren.
Die Lichter der Stadt Necochea waren schon von weitem sichtbar, aber es dauerte ordentlich lange, bis uns die Zivilisation wieder hatte.
Nass, aber nicht gross erfroren, glücklich, mit tausend neuen Erfahrungen im Rucksack, sind wir dann am Hotel gelandet.
Fazit des Trainings: Es war intensiv, extra lang und extra schwierig. Gaston wollte, dass ich mich an die Bedingungen einer Etappe des Qualirennens gewöhnen konnte. Schlecht habe ich es nicht gemacht. Gelobt wurde mein wenn auch langsamer, dennoch sicherer Fahrstil. Zudem wurde mein Durchhaltewille gelobt und dass ich immer wieder neuen Mut gefasst hätte, mich durchzukämpfen.
„Grosser Bruder“, wie ich meinen Raptor getauft habe, ist nicht einfach zu fahren. Zudem bin ich Drehgas überhaupt nicht gewohnt. Ob mir Zweifel gekommen sind, in dem was ich da mache? Ja, natürlich!
Das Supportfahrzeug tauchte auch wieder auf. Thomas hatte es in den Dünen versenkt…