08. März 2018
Der Start in die Dünen des Erg Chebi war auf die übliche Zeit angesetzt. Nur die Startzeiten wurden wieder ein wenig durcheinander gewürfelt. Heute stand ein Kurs auf dem Programm, der wie ein grosses Rechteck aussah mit zweimaliger Querung der Dünen. Das Roadbook gab eigentlich keine Angaben an. Es galt vielmehr die Dünen im richtigen Winkel zu kreuzen, um nach der Querung möglichst genau auf die Sandstrasse zu treffen und dort zum Checkpoint zu kommen.
Wie schon gewohnt, drehte ich nach dem Start eine Ehrenrunde, um auf die richtige Spur zu kommen. Aber dann ging alles glatt. Der Sand war viel fester, als die „geschmolzene Butter“ vom anderen Tag. Trotzdem: Es musste so kommen. Ich grub mich ein. In etwa 100 Metern Entfernung lief ein Tuareg mit seinen Dromedare durch den Sand. Auf mein Rufen hin, kam er zu mir, half mir den Quad wieder auszugraben, und es konnte weiter gehen.
Erstaunlich, was man in so einer Wüste plötzlich alles sehen kann. Da war ein kleiner, runder und niedrig gemauerter Kreis. Ein Brunnen! Ich behielt die Linie auf dem GPS im Auge und suchte mir meinen Weg durch den grossen Sandhaufen. Wieder ein Brunnen! Es gab ein paar Spuren von Fahrzeugen, die vor mir hier durchgekommen waren. Einige Spuren verhiessen nichts Gutes! Inzwischen wusste ich ja, dass ich mich auf meine Navigation verlassen konnte, also konnte ich mir auch gut meinen Weg selber suchen und musste den Spuren nicht folgen. Ich erhöhte mein Tempo. Sogar ein kleiner Sprung gelang mir hervorragend. Die Sache begann mir Spass zu machen. Dort, wo er spärliche Vegetation gab, war der Untergrund ja schon fast „betoniert“ und fest.
Hochkonzentriert nahm ich Anlauf für einen Dünenkamm und fuhr mich fest. Als ich auf die Düne kletterte sah ich, dass ich nur noch etwa 500 m Luftlinie von der Sandstrasse in der Fläche entfernt war. Innerlich habe ich alle hässlichen Wörter verwendet, die ich kannte, äusserlich blieb ich ruhig. Ausgraben ging nicht, aber der Quad stand so günstig, dass er die Düne rückwärts runterrollen könnte. Also habe ich erstmal den Gang rausgenommen und mich in den Sand gesetzt. Mit den Stiefeln am Frontbumper wollte ich ihn die Düne runterrollen lassen. Ich stiess mit aller Kraft, aber mein lieber Quad blieb stur stehen. Auch mit aller Wut im Bauch, der Quad liess sich nicht bewegen.
Also setzte ich mich auf die Düne und schaute mir die Gegend an. Da kam doch tatsächlich wieder ein Turban. Und ein, nein mehrere Dromedare. Und obendrauf noch Touristen! Ha, eine ganze Heerschar von Helfern! Und so kam ich wieder auf die Spur. Ich traf die Sandstrasse perfekt, meine Navigation hatte vortrefflich gestimmt. Bis zum Checkpoint hatte ich aber nun genug Zeit mal über das Ganze nachzudenken. Macht es Sinn, die Dünen nochmals zu queren? Macht es Sinn, immer auf Tuaregs zu hoffen oder gar auf Touristen, die mir helfen, mich auszubuddeln? Wie oft hat man dieses Glück? Am Checkpoint hatte ich meinen Entschluss gefasst: Ich liess meine Zeitkarte unterschreiben und informierte die Organisation, dass ich nun in einem grossen Bogen um das Erg Chebbi herum wieder nach Merzouga zurückfahre, auf der Sandstrasse.
Vernünftige Entscheidungen und gute Erkenntnisse
Ich hatte ja nun noch genug Zeit auf dem Rückweg mit meiner Analyse weiterzumachen. Trotz aller Vorbereitungen und Trainings werde ich es nie schaffen, mich mit meinem Quad, so wie ich jetzt ausgerüstet bin, die Dünen ohne Probleme zu bewältigen. Auch mein sturer Kopf und meine Willenskraft reichen da nicht aus. Ich werde auch die nötigen 15 cm Körpergrösse nicht mehr wachsen, die mir fehlen, um meinen Quad herauszuheben. Meinen Traum, das Africa Eco Race zu fahren, muss ich den nun beerdigen? Soll ich den Rallyesport nun an den Nagel hängen? Zusammen mit jemanden fahren, das wäre gut. Aber finde ich jemanden? Ich habe in den letzten Jahren niemanden getroffen, der mit mir fahren würde. Wie soll es denn nun weitergehen? Auf jeden Fall wollte ich nun erstmal die Rallye noch zu Ende fahren. Ich war zeitlich weit hinter dem ersten Quadpiloten zurück. Es war Clemens Eicker. Mit seiner 1300er-Maschine hatte er mich bereits mehrere Stunden abgehängt.
09. März 2018
Das Roadbook für den nächsten Tag hatte ich ja bereits vorbereitet und studiert. Also kam es auf eine Stunde Strafzeit mehr oder weniger nicht mehr an. Der erste Teil der Strecke führte wieder in die Dünen. Ich wollte diesen Teil auslassen und mich am Check Point für den zweiten Teil der Etappe anmelden. Natürlich fuhr ich zum Start. Die Startzeiten waren wieder durcheinander gekommen. Über die Verbindungsstrasse fuhr ich dann hinter dem inzwischen total orangenem Dacia Duster mit Bruno am Steuer zum Check Point und von dort weiter ins Desert Camp.
10. März 2018
Der letzte Tag der Rallye führte über Teile der Etappe des ersten Tages. Mein Arm war zwar wieder einigermassen fit, aber die Organisation bat mich, nicht in den ersten Teil der Spezialetappe zu fahren. Sie hätten in dem Gelände keine Möglichkeiten mich oder meinen Quad zu bergen. Mir war es inzwischen wichtiger, die Rallye heil zu beenden, als noch irgendetwas zu riskieren. Also folgte ich den Anweisungen. Wenn ich nun die Ziellinie erreichen würde, wäre ich Finisher der Rallye, was vielen nicht gelingen würde. Im Klassement war ich schon lange nicht mehr auf dem letzten Platz. Alleine schon die Tatsache, dass ich noch fahren konnte, hatte mich im Klassement nach vorne gebracht. Ankommen war wichtig! Petit Frère nahm mit mir zusammen in gewohnter verlässlicher Art die Kilometer unter die Räder. Ich genoss die Fahrt, wie ich jede Fahrt auf dem Quad geniesse.
Im Hotel Taddart in Midelt war die Ziellinie. Diese zu überfahren habe ich geschafft. In den 20 Jahren, in denen die Tuareg-Rallye organisiert wird, hat es noch nie eine Frau in der Kategorie Quads gegeben, also auch noch keine, die die Rallye beendet hat.
Dieses Jahr war vorgesehen, auch die beste Frau in der Kategorie Quads mit einem Preis auszuzeichnen. Ich bekam die grosse „Salatschüssel“. Zum Schluss bin ich auf dem 7. Rang gelandet. Wenn ich mir auch die Rallye ein wenig anders vorgestellt hatte und mir viel mehr vorgenommen hatte, ist es doch eine Leistung.
Gleich nach der Siegesfeier fuhren wir mitten in der Nacht von Midelt nach Fez zum Flughafen. Die 3 1/2 Stunden Fahrzeit waren „unterhaltsam“. Hatten wir doch zum Abschied noch Schneetreiben im Gebirge des Mittleren Atlas, Regen und starken Wind. Den Dacia Duster liessen wir am Flughafen stehen in einem so schmutzigen Zustand, dass wir dachten, dass wir bestimmt nachträglich noch eine Rechnung vom Autoverleih bekommen würden.
Wie geht es weiter?
Selbstverständlich möchte ich mit meinem Quad „Petit Frère“ nach Dakar. Die Erkenntnisse und Erfahrungen dieser Rallye zeigen mir, dass ich in den Dünen ernsthaft in Schwierigkeiten komme, wenn ich mich eingrabe und alleine unterwegs bin. Beim Africa Eco Race gibt es zwei Kategorien. Die „Groben“ und eine Kategorie Rallye Raid. In dieser Kategorie gibt es viel kürzere Spezialetappe, die in einer Gruppe gefahren werden. Das ist für mich die einzige Chance, das Africa Eco Race zu bestreiten. Ich kläre nun alle Details ab und begebe mich auf die Suche nach einem Service-Team für diese Rallye.
Ich halte Euch natürlich auf dem Laufenden!