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Am 30.10.2019 darf ich für den SSRT einen Vortrag halten über das Africa Eco Race

Zeit: 20.00 h

Ort: Hotel Chrüz / Restaurant Arcadia, Hauptstrasse 67, 4702 Oensingen.

Der Eintritt ist frei und es würde mich sehr freuen, wenn auch Du vorbeischaust. 

 

Es ist noch ziemlich schwer, die richtigen Worte zu finden, wie ich mich nach über 6‘000 Kilometern durch Afrika in 14 Tage fühle. Hier mein Bericht.

Die Reise nach Menton ins erste Biwak fing ja schon ziemlich turbulent an, als der gemietete Transporter in Emmen seinen Geist aufgab. Mit einem Ersatztransporter haben dann Bruno und ich einen neuen Anlauf genommen, um unser Hotel in Menton zu erreichen.
Auch Martin Fontyn, der Chef vom Service Team EAO, hatte von Belgien eine lange Anreise. Am 27.12.2018 habe ich dann endlich die anderen Fahrer, Mechaniker und das ganze Team kennengelernt. Jeder kämpfte vor dem Start mit seiner Aufregung und wollte vor allem nur eines, die Administration und die technische Abnahme so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Am 29.12.2018 war ich an der Reihe. Auf dem Weg ins Zelt, wo die Kommissäre jedes Fahrzeug genau unter die Lupe nahmen, habe ich Marc und Christophe, die Verantwortlichen der Kategorie Raid und Fahrer von BRAVO 7, unserem Begleitfahrzeug, kennengelernt.

bericht aer0219 1Der Start am 30.12.2018 in Monaco war ein absolutes Highlight. Da stand mein Quad «Petit Frère» als einziges Quad im Park Fermée. Ich hatte gedacht, dass ich noch mehr Quadfahrer kennenlernen würde. Bevor ich mich auf die Maschine geschwungen habe, war ein gewaltiges Durcheinander im Kopf und die Emotionen gingen hoch. Die Startrampe konnte ich in diesem Zustand nur bedingt geniessen. Die Fahrt nach Sète zum Hafen, wo unsere Fähre nach Nador schon auf uns gewartet hat, ging glatt. Den grössten Teil der Strecke haben die Motorräder und mein Quad aufgeladen absolviert. Auch den Gilet Jaune sind wir in Sète begegnet. Sie hatten die Autobahnzahlstelle besetzt und liessen uns einfach gratis durch.

bericht aer0219 2Bis jetzt hatte ich nicht die besten Erfahrungen mit schaukelnden Schiffen und war ein wenig skeptisch, als ich in den grossen Bauch von diesem 10-stöckigem Boot gefahren bin. Auf dem Schiff gab es genügend Ablenkung mit Briefings, Schulungen über das GPS und eine vorgezogene Pass- und Fahrzeugausweiskontrolle des marokkanischen Zolls. Für den Papierkram mussten wir alle stundenlanges Anstehen und viel Geduld aufbringen.

Am 01. Januar 2019 legte die Fähre um 6 Uhr in Nador, Marokko, an. Um mich mit der Raid-Gruppe am Treffpunkt zu versammeln, musste ich mich im Dunklen im Hafen von Nador irgendwie durchschlagen. Nach endlosen Pass- und Papierkontrollen konnten wir dann endlich losfahren.

Wir fuhren an den Start zur ersten Spezialetappe und wurden hinter den Motorradfahrern auf die Piste gelassen. Der Tag wurde sehr lang und vor allem sehr kalt. Wir mussten über den hohen Atlas im Dunkeln und ich war sehr froh, dass BRAVO 7 für mich die Piste jeweils mit einem wahren Christbaum von Lichtern ausgeleuchtet hat. Nach über 650 Kilometern hatte auch ich um 22.30 h das Biwak erreicht. Die Einfahrt führte über eine Staubpiste. Im dichten Staub habe ich mich im weichen Sand eingegraben und ein Lastwagenfahrer hat mich übersehen und gerammt. Diesen Schreck werde ich so schnell nicht vergessen. Der Besuch beim Ärzteteam zeigte dann, dass ich den Unterarm nicht gebrochen hatte. Die komische Beule war bloss ein Hämatom, welches zwar anschwoll aber mich nicht am Fahren hindern würde. An meinem Quad waren nur ein paar Plastikteile und Lampen beschädigt.

Nach 4 Stunden Schlaf begann der nächste Tag früh um 5 Uhr. In unserem Team mussten sich alle Piloten nach der Startzeit des ersten Motorradfahrers richten. Um nach meinem Unfall Zeit und Kraft zu sparen, wurde mir empfohlen, die Verbindungsetappe ohne Spezialetappe zu fahren. Trotz allem galt es 385.90 km zu absolvieren. Der Fahrtwind war bitterkalt. Auf der Verbindungsetappe hat man den Eindruck, ganz alleine unterwegs zu sein. Ab und zu haben mich andere Teamfahrzeuge überholt. Das Biwak habe ich noch bei Tageslicht erreicht, was natürlich immer sehr viel angenehmer ist, als wenn man im Dunkeln im Zelt mit einer kleinen Pfunzel seine Sachen parat machen muss.

Bei der dritten Etappe ging es ab Biwak auf die Spezialetappe, von der wir 155 km in der Kategorie Raid absolvieren wollten. Anfänglich waren die Pisten schön fest mit ein wenig Sand. Aber bald wechselte der Untergrund in ein Geröllfeld vom Feinsten. Die tiefen Spuren von den vorausfahrenden Autos und den Lastwagen, in welche ja mein Quad nicht passt, wurden zur Herausforderung. Unsere Autofahrer in der Kategorie Raid haben sich immer sehr schnell aus dem Staub gemacht, weil unter ihnen ein Teilnehmer war, der früher für die Organisation gearbeitet hat und die Raid schon mehrmals gefahren ist. Die Autogruppe hat sich jeweils ein schönes Plätzchen zum Mittagessen gesucht und dort auf mich und BRAVO 7, welche mich nicht aus den Augen liessen, gewartet.

bericht aer0219 3BRAVO 7 mit Christophe und Marc war mein Begleitschutz. Navigieren musste ich selber, aber wenn ich ins Abseits gedriftet bin, falsch abgebogen oder ein Problem hatte, haben sie eingegriffen. Das kam sehr selten vor, vielleicht insgesamt 4mal. Nach dem Mittagessen an diesem Tag fuhren die Autos wieder los mit hohem Tempo. Kurz bevor wir die Spezialetappe verliessen, haben mich Marc und Christophe bis zum Check Point 1 alleine weitergeschickt. Sie bekamen von der Organisation, die uns alle per IRI-Track im Auge hatten, gemeldet, dass sich die Autofahrer verirrt hätten. Am Check Point habe ich dann 1 ½ Stunden warten müssen, bis die verlorenen Schafe wieder zusammengetrieben waren. Wegen dieser Zeitverzögerung waren wir spät dran und ich musste wieder in die Nacht hinein fahren, um die letzten 230 km bis ins Biwak zu absolvieren.

bericht aer0219 4Zu meiner Biwak Ankunft wurde mir gratuliert. Ich bin zwar früher ins Bett gekommen als am ersten Tag, es war 00.30 h, aber viel Schlaf gab es in der Nacht nicht.

Am Tag 4 war die nächste Etappe für mich wieder eine Verbindungsetappe. 580,62 km. Gleich nach Sonnenaufgang bin ich losgefahren, wusste ich doch, dass auch diese Etappe anstrengend würde. Am Abend im Biwak kam dann die erste Hiobs-botschaft. André Vidal hatte sich in der Kategorie Raid mit dem Auto überschlagen. Er fuhr von Fort Chacal mit seinem havarierten Auto nach Laayoune, um dort eine Werkstatt zu finden. Sein Beifahrer ist von Laayoune aus direkt mit der nächsten Möglichkeit zurück nach Frankreich geflogen und André musste nun mit 2 gebrochenen Fingern und einem kaputten Auto alleine weiter.

Inzwischen hatten wir im Team auch schon ein paar «Verluste». Lee Salt hatte seine Africa Twin im Geröllfeld hingeschmissen und eigentlich die Lust an der Rallye verloren. Jeden Morgen habe ich ihm die Kontaktlinsen «montiert», damit er etwas sieht. Mein Motivationsgespräch hat wohl gefruchtet, er fuhr weiter. Richard Kaye, Gesamtrang 7 nach dem dritten Tag, hatte ebenfalls einen Abflug und sich an der Hand verletzt. Er meinte, dass er noch versuchen würde bis nach Dakhla zu kommen. Er konnte aber den Lenker nicht mehr halten und ist von Dakhla aus nach Hause geflogen.

bericht aer0219 5Marc und Christophe hatten mir auf Grund der Länge der Tagesetappe empfohlen, die 554,35 km nach Dakhla auf der Verbindungsetappe unter die Räder zu nehmen. Nach 250 gefahrenen Kilometern stoppten mich die Insassen eines italienischen Service-Trucks auf der Strasse. Ich solle nun mit ihnen einen Kaffee trinken gehen. Es sei ja unglaublich, wie ich die Kilometer fressen würde. Konstant, solide, alleine. Auch alle anderen Piloten mussten die letzten 390 km über die Verbindungsetappe absolvieren. Ich war zeitlich gut unterwegs und sah die Töff Fahrer aus der kurzen Special kommen. An einer Tankstelle traf ich dann auf einen völlig übermüdeten Motorradfahrer. Also habe ich mit ihm zusammen auch einen Kaffee getrunken und ihm auch noch von meiner Vaseline gegeben, damit er seine völlig aufgesprungenen Lippen ein wenig fetten konnte. Die letzten 70 km waren dann aber auch für mich eine harte Strecke. Der nächste Tag war dann der verdiente Ruhetag.

Unser Biwak am Atlantik mit Meeresrauschen war nicht nur sehr romantisch, sondern auch die Temperaturen waren inzwischen tagsüber ein wenig angenehmer. Der Ruhetag war Wellnesstag für mein Quad, an dem inzwischen doch die eine oder andere Schraube locker war, das Roadbook rollte unkontrolliert vor und zurück, so wie es wollte. «Petit Frère» brauchte noch einen neuen Satz Reifen.

Am Ruhetag kam dann plötzlich André ins Biwak. Sein Auto war irgendwie zusammengebastelt worden. André hat in der Gruppe Raid mit dem Auto mitgemacht, weil sein Sohn Guillaume Vidal mit dem Motorrad die Rallye gefahren ist. So konnte er seinem Sohn als persönlicher Assistent all die Handgriffe abnehmen, die so unglaublich erleichternd sind. Wasser ins Camelpack nachfüllen, Esswaren nachfüllen, Kleider zusammenpacken oder frische Wäsche bereit machen …

bericht aer0219 6Dakhla – Chami bedeutete für den ganzen Tross, Marokko zu verlassen und nach Mauretanien einzureisen und das möglichst in einer geschlossenen Kolonne. Christophe und Marc von BRAVO 7 hatten für mich einen speziellen Transport organisiert. Mein Quad wurde bis zur Grenze auf den Anhänger eines Lastwagens verladen. Ich fuhr in einem Wohnmobil eines französischen Teams mit, weil die Abfahrt vom Biwak um 5 Uhr stattfand, es wiederum bitter kalt war und mein Quad halt kein gutes Licht hatte. Auch meine Höchstgeschwindigkeit war nicht zu vergleichen mit den anderen Fahrzeugen. Zudem würde ich ja nichts verlieren, wenn ich diese Kilometer nicht selber fuhr. Dafür wäre ich dann nach dem Grenzübertritt bereit, die 200 km Spezialetappe bis ins Biwak selber zu fahren.

Alle hatten mich vor dem Grenzübertritt gewarnt. Zwischen den Grenzen gibt es ein Stück Niemandsland. Dieses Niemandsland war erschreckend. Die Strasse hörte auf und man fuhr durch die Wüste an unzähligen Autowracks im Zickzack über Abfall, Steine und Sand irgendwohin. Ich konnte nicht erkennen, wohin, sondern suchte mir meinen Weg, um dann auf den Grenzposten von Mauretanien zu treffen. Es war ein notdürftig asphaltierter «Parkplatz» mit tausenden von Händlern, die einem den Weg versperrten um Geld zu wechseln, Telefonkarten oder Zigaretten zu verkaufen. Die Leute hatten auch keine Scheu, mich überall anzufassen. Heraus aus diesem Gewusel galt es den Start zur Spezialetappe zu finden. Vor lauter Schreck habe ich mich dann kurz vor der Startlinie in den ersten Sandhaufen eingegraben. Meine Moral war so ziemlich im Keller und ich musste mich erstmal erholen. Soweit das Auge reichte, nichts als Wüste und zudem war es nun sehr heiss geworden. Meine Nase war verstopft, mein Kopf brummte, ich fühlte mich miserabel. Marc und Christophe verpflegten mich, bauten mich auf und beruhigten mich. Das tat gut.

Jean-Louis Schlesser, der Renndirektor kam mit seinem kleinen Flugzeug angeflogen. Es gab ein Briefing und leider musste die Spezialetappe abgesagt werden, denn die Helikopter konnten in Dakhla wegen starkem Wind nicht starten. Die Helikopter sind für die Sicherheit der Piloten unerlässlich. Also machte sich der ganze Tross auf den Weg nach Chami ins Biwak über die Verbindungsetappe. Genug Zeit für mich, um mich wieder zu sortieren und zu erholen.

bericht aer0219 7Weil das Biwak zwei Nächte am gleichen Ort blieb und die Rallyepiloten eine Schleife fuhren, machte sich die Raid-Gruppe an diesem freien Tag auf die Suche nach den ersten Dünen zum Spielen. Der Untergrund war nun so richtig eine Freude. Pisten, auf denen man es krachen lassen konnte, oder einfach nach Kompass quer durch die Wüste. Bei den Dünen ging dann das grosse Versenken unter den Autofahrern los. Jeder wollte der coolere Typ sein. Zurückhaltend habe ich erstmal zugeschaut, um dann kontrolliert im Sand zu kurven. Auf dem Rückweg ins Biwak haben wir am letzten Check Point Halt gemacht. Hier fuhren gerade die letzten Motorradfahrer durch, gefolgt von den Autos und Lastwagen. Unsere Autofahrer sind wie immer schon voraus ins Biwak.

bericht aer0219 8Plötzlich stand der Pilot des Boogies mit der Startnummer 209 neben uns. Sein Fahrzeug hatte 15 km vor dem Biwak kein Benzin mehr. Ich hatte noch genug in meinem Tank und habe stolz meinen Plastikschlauch aus dem Werkzeugtäschchen genommen, damit wir ihm in einen Kanister etwas abfüllen können. Eine Geduldsprobe für den armen Piloten, denn es rann nur ein kleiner Strahl ins Bidon. BRAVO 7 hat einen der Autofahrer angerufen und ihn beauftragt mit Benzin zum Check Point zurückzukommen. Als Dankeschön für meine, wenn auch erfolglosen Bemühungen, hat mir das Team des Boogies 209 die nächste Tankfüllung spendiert.

Etappe 8 Chami / Amodjar war meine Paradeetappe. Heute hiess es alle Reserven anzuzapfen, denn es gab nur einen Weg zum Biwak durch die Wüste mit langen 633,64 km. Einmal rein in die Wüste, gab es keine Abkürzung und auch kein Zurück mehr. Der Einstieg war heftig. Es war zwar eine schöne Staubpiste, aber mit so entsetzlich doofen Bodenwellen, dass ich manchmal den Lenker kaum noch halten konnte. Ein Waschbrett vom Feinsten. Es dauerte ein paar Kilometer, bis ich den Rhythmus gefunden hatte. Dann kamen Sandpisten. Tiefer, weicher Sand. Und auf einmal lief es. Ich liebte den Sand. Tourenzahl und Geschwindigkeit, Rhythmus und locker bleiben haben gepasst. Die Autofahrer waren jeweils ein wenig neidisch, wenn ich an ihren stecken gebliebenen Fahrzeugen vorbei gesurft bin. Die Navigation war jedoch eher schwierig. Ich habe zwar immer sofort gemerkt, wenn ich mich verfahren hatte und fing dann an zu kreisen. Inzwischen hatten Marc und Christoph es sich zum Spiel gemacht, mit dem Auto ausserhalb meines Blickfeldes um mich herum zu kreisen. Aber auch dieses Versteckspiel habe ich dann schnell aufgedeckt. Mit grossem Gelächter, haben sie mich wieder auf die Spur gebracht.

Bei Kilometer 293.89 wurde dann ein Stopp eingelegt. Die Autofahrer hatten sich wieder einmal verirrt. Ich hatte inzwischen aber nur noch wenig Benzin im Tank, welches noch für die knapp 29 km reichen musste bis zur nächsten Tankstelle. Ich wurde unter einem Strauch geparkt mit einem Lunchpaket und Wasser und sollte warten, bis Marc und Christophe in etwa 1 Stunde mich wieder abholen. Gerade, als wir uns eingerichtet hatten, kamen LIMA 1 und LIMA 2 der Organisation und der Rennleiter mit den Autos vorbei. Sie waren überhaupt nicht damit einverstanden, dass man die «Quadeuse» in der Wüste parkieren wollte. Nein, dann würden sie mich halt bis zur Hauptstrasse und ins Biwak mitnehmen. Tanken, das war mein einziger Gedanke. Die Tankstelle haben wir dann auch erreicht.

bericht aer0219 9In Mauretanien wird vor allem Diesel verkauft. Benzin ist dort eine Mangelware. Und an dieser Tankstelle gab es nichts von beidem. Die einzige Zapfsäule war nur noch eine Ruine. Der nette Tankwart kam dann mit einem komischen Behältnis und verkaufte mir 2 Liter Benzin für 10 Euro. Das reichte aber nicht weit. Ich musste noch mindestens 120 Kilometer bis zur nächsten grossen Tankstelle fahren. Auf der Weiterfahrt habe ich auf der linken Strassenseite so etwas wie eine weitere Tankstelle gesehen. Dort gab es nochmals 5 Liter Benzin. Nun sollte es reichen bis zur nächsten Ortschaft Akjoujt. Beim Tankstopp wurde ich sogleich wie immer von mehreren Dutzend Kindern belagert. Die Hände der Kleinen versuchten sofort alles anzufassen und zu schauen, ob irgendwo etwas lose war, das man «mitnehmen» kann. Zudem wurde ich lautstark aufgefordert Geld zu geben oder etwas zu schenken. Meine Begleiter aus der Organisation und der Tankwart hatten alle Hände voll zu tun, um die lieben Kinder ein bisschen auf Distanz zu halten. Durch die Ortschaft fuhren wir dann wieder alle zusammen und plötzlich hagelte es Steine. Ich wurde zum Glück nicht so arg getroffen und «versteckte» mich auf der linken Seite hinter einem Auto der Organisation mit dem Erfolg, dass dessen hintere Scheibe von den Steinen eingeschlagen wurde. Ich hatte nur noch einen Gedanken: Raus aus diesem Kaff!

Auch BRAVO 7 hatte uns inzwischen wieder eingeholt. Ich wurde wohlbehalten an Marc und Christophe für die letzten 210 Kilometer übergeben. Inzwischen war es Nacht geworden, und es war eine sehr schwierige Strasse. Es gab tiefe Löcher und Gräben im Asphalt und zudem hatte der Sand der Dünen Teile der Strasse bedeckt. BRAVO 7 fuhr dicht hinter mir, ein wenig versetzt und leuchtete mir die Strasse aus. Ich war sehr froh, dass ich das Biwak heil erreichte, zwar spät und müde, aber ohne nennenswerte Zwischenfälle.

bericht aer0219 10Der nächste Tag war ein Pausentag für die Kategorie Raid. Deshalb konnte ich meiner Maschine nochmals einen Service gönnen. Die Mechaniker zogen nochmals alle Schrauben nach, wechselten das Öl und den Ölfilter. Den verlorenen Rückspiegel konnten sie nicht ersetzen, ist in der Wüste auch nicht so wichtig.

Gegen Abend erreichte uns eine sehr erschreckende Nachricht. Guillaume Vidal, der Sohn von André, hatte einen schweren Unfall. Sein Motorrad ist nach dem Aufschlag völlig abgebrannt und er musste vom Helikopter geborgen werden. Der Helikopter hatte jedoch nicht genug Reichweite, um ihn in das Spital der Hauptstadt von Mauretanien zu fliegen. So wurde er in eine Ambulanz umgeladen und transportiert. Sein Zustand war viel schlimmer, als man uns sagte. André war total aus dem Häuschen. Er wollte unbedingt mit seinem kaputten Auto in der Nacht die 5 Stunden Autofahrt auf sich nehmen, um zu seinem Sohn zu kommen. Das war keine gute Idee. Ich habe ihm versprochen, ihn am nächsten Morgen bis zum Biwak nach Akjoujt zu führen. Den Weg kannte ich ja bereits. Wir sind gleich beim ersten Tageslicht losgefahren und die 278 km waren schnell bewältigt. Noch vor dem Mittagessen fuhr er von Akjouit mit seinem havarierten Auto nach Nouakchott. Dort liess er es an einem sicheren Ort stehen und kümmerte sich um seinen Sohn. Das Auto wurde dann am nächsten Tag abgeholt und von Altin, einem unserer Mechaniker weiter nach Saint Louis und Dakar gefahren.

Die Etappe Akjoujt / St. Louis versprach nochmals spannend lang zu werden. 569,46 km und ein Grenzübergang von Mauretanien nach Senegal. Es war auch gleichzeitig die letzte gewertete Etappe für das Klassement. Mein Plan war, an der Ziellinie zu stehen, wenn die grossen Helden dort einfuhren. Ich schaffte es dort zu sein als die beiden ersten Motorradfahrer ankamen.

Neugierig war ich auf die Hauptstadt Nouakchott in Mauretanien. Es fing zuerst mit noch relativ hübschen Vororten an, bis ich dann in den Kern der Hauptstadt einfahren musste. Von einer klaren Verkehrsführung durch die «Strassen» war nichts zu erkennen. Jeder fuhr auf Biegen und Brechen zwischen Unmengen von Menschen hindurch. Ein Gestank, der einem fast den Atem nahm, Abfallberge und zudem hohe Temperaturen säumten die Strassen. Es war inzwischen 11.30 h, Mittagszeit und die Hölle. Ich musste herausfinden, welche der unzähligen Tankstellen wohl Benzin verkauften, denn mein Quad hatte inzwischen bedenklich wenig Sprit im Tank. Irgendwie habe ich das alles gemeistert und eine Tankstelle gefunden, die einigermassen übersichtlich war und wo es Benzin gab. Gleich hinter mir stachen auch zwei Motorradfahrer an die Zapfsäule. Wir fuhren zu Dritt weiter und liessen die Stadt bald hinter uns. Im Roadbook kam nun die Beschreibung: «nächsten 20 km, sehr schlechte Strasse mit vielen Löchern». Das Fahren war wirklich kraftraubend. Reste von Asphalt mit grossen tiefen Löchern wechselten sich mit Offroadpisten ab mit harten und hohen Waschbrettfalten. Auf den Wellbrettpisten habe ich ein wenig mehr Gas gegeben, so dass ich den Lenker einigermassen halten konnte. bericht aer0219 11Als ich dann wieder auf einen kleinen Asphaltstreifen auffuhr, hustete mein Quad drei Mal heftig und der Motor ging aus. Keine Chance mehr, den Motor wieder anzuwerfen. Der Anlasser drehte zwar, aber der Motor sprang nicht mehr an. Ich schob meinen Quad auf den Streifen Schotter neben der «Strasse» und hielt den nächsten Service-Truck an, der angefahren kam. Es war das holländische Team von Aad van Velsen. Auch sie konnten meinen Quad nicht mehr starten und boten an, ihn aufzuladen. Gute Idee. In diesem Moment hatte ich mehr Glück, als man sich wünschen kann. Auch unser Service-Fahrzeug, der Ford Ranger kam mit Tom und Nick angefahren und hielt an. Ich konnte bei ihnen einsteigen und so die letzten Kilometer nach Saint Louis mitfahren. Über das IRI-Track versuchte ich noch einen Nachricht via Rennleitung abzusetzen an BRAVO 7, dass ich eine Panne hatte, aber sicher weiter komme. Es stellte sich heraus, dass Marc und Christophe einen grossen Schreck bekamen, als sie informiert wurden. Sie waren zu dem Zeitpunkt 180 Kilometer hinter mir und hatten keine Chance, mir zu helfen.

Inzwischen hatte ich per SMS Kontakt mit Bruno, der bereits im letzten Biwak in Saint Louis auf mich wartete. Sehr traurig und sehr enttäuscht musste ich ihm mitteilen, dass mein Quad aufgeladen wurde und ich im Auto unterwegs war. Eine Diagnose, was an meinem Quad kaputt gegangen war, konnte ich zu der Zeit noch nicht abgeben. Ich wusste nur, dass unser Service-Team und die Mechaniker an diesem Abend keine Reparaturen mehr ausführen wollten. Sie hatten sich entschlossen, die Nacht in einem Hotel zu verbringen. Nur mein Schlafzelt würde noch aufgebaut werden. Ich konnte es nicht fassen und versuchte positiv zu denken, dass man meine Maschine für die letzte Etappe irgendwie wieder flott bekommt. War es etwas mit der Benzinpumpe? Mit der Einspritzung? Etwas Simples wie eine Sicherung oder ein Kabel? Etwas Kompliziertes? Auf den folgenden Kilometern habe ich nur noch realisiert, dass wir über eine Staubstrasse fuhren, die in so einem schlechten Zustand waren, dass es auch für Tom und Nick eine Knochenarbeit war das Fahrzeug auf der Piste zu halten. Der Grenzübertritt nach Senegal ging total schnell und glatt und dann standen wir im Biwak in Saint Louis. Nun galt es abzuwarten, wann der Lastwagen mit dem Quad und unser Teamlastwagen kommen. Es bereitete mir grosse Mühe, an meine Routine zu denken. Zu essen, zu trinken und herunterzufahren. Fokussiert zu bleiben auf den nächsten Tag war ziemlich schwer.

Zuerst fuhr das holländische Team ein, welches meinen Quad ablud. Dann kam Altin, unser Mechaniker mit dem havarierten Auto von André Vidal, welches er in Nouakchott abgeholt hatte. Mein Bordwerkzeug wurde nun ausgepackt. Altin machte sich sogleich zu schaffen, reparierte ein Kabel und noch einen Stecker und startete meinen Quad nach nicht einmal 10 Minuten Reparaturzeit. Meinen Jubelschrei hättet Ihr eigentlich alle bis in die Schweiz hören sollen. Nun war die Welt wieder in Ordnung!

bericht aer0219 12Als das Zelt stand, ging es sofort daran, meine Ausrüstung wieder zu komplettieren, Motocross Brille säubern und alles für den nächsten Tag vorzubereiten. Auch Marc und Christophe kamen heute sehr spät ins Biwak. Sie waren heilfroh, als sie mich wieder mit der üblich guten Laune antrafen und überreichten mir das letzte Roadbook dieser Rallye.
Bruno verabschiedete sich von mir vor dem Zelt und um 23.30 h war Nachtruhe angesagt. 13. Januar 2019 um 7 Uhr der letzte Start auf die letzte Verbindungsetappe an den Strand des Atlantiks vor Dakar. Dort standen dann noch die letzte 22 km Spezialetappe auf dem Programm bis zum Ziel am Lac Rose.

Inzwischen hatte sich die Landschaft stark geändert. Es gab Flüsse, Wasser, Seen und das Meer. Es war nun überall wieder grün und es stank bestialisch! Unmengen von Müll, wo man hinschaute! Durch die kleinen Dörfer ging die Fahrt relativ gut. 20 Kilometer auf dieser Verbindungsetappe waren auf einer Naturstrasse im dichten Staub zu bewältigen, die auch noch durch Dörfer führte. Als Geschwindigkeitsbremser sind in diesen Dörfern alle paar Meter Bodenschwellen einbetoniert. Ich hatte den Dreh bald raus, wie ich diese ohne gross zu verlangsamen überspringen konnte. Inzwischen hatte ich sehr viele Lastwagen eingeholt, die es nun im dichten Staub zu überholen galt, was nicht immer einfach war.

bericht aer0219 13Und dann war ich plötzlich in einem kleinen Pinienwald mit Blick auf den Atlantik. Die letzten 22 Kilometer. Ich habe die Luft auf ein Minimum für Sand aus den Pneus abgelassen, und es ging in die Startaufstellung am Strand. Zuerst fuhren die Motorradfahrer los, dann kamen die Autos, Boogies und SSV’s. Dahinter die Lastwagen und zum Schluss die Gruppe Raid.

Der Sand war feucht, aber mit tiefen Fahrspuren versehen. Eigentlich sollte man die letzten Kilometer am Strand geniessen können. Für mich war es nur eine harte Fahrt und sehr anstrengend mit dem Quad irgendwie durch den aufgewühlten Sand zu kommen. Das letzte S vom Strand in die Dünen konnte ich dann mit grosser Gelassenheit nehmen. Der weiche Sand war mir wieder sehr vertraut. Nach der Düne kommt man auf eine Piste, welche den Lac Rose umrundet. Der Lac Rose! Als ich realisierte, dass ich nun an dem Ort angekommen bin, wo ich mich schon so lange Zeit hingeträumt hatte, war es um meine Fassung geschehen. Es regnete gewaltig im Helm auf den letzten Kilometern. Ein grosses Gefühlschaos war da im Gang. Aber ich hatte auch Zeit, schnell ein Dankesgebet auszusprechen, bevor ich dann die Ziellinie überfuhr.

bericht aer0219 14Einzeln nach Kategorie und Rangliste fuhr jeder mit einem grossen Lachen im Gesicht über die Rampe. Jeder, der es bis hierher geschafft hatte, war nicht nur froh, sondern auch stolz auf die Leistung. Gratuliert wurde jedem von jedem, der sich dort im Zielraum aufhielt. Gegen 16 Uhr trafen wir uns alle im Hotel in Dakar, um dort den Lastwagen vorzubereiten, der noch am gleichen Abend mit allen anderen Fahrzeugen zum Schiff gefahren wurde. Nun sind also mein Quad, meine 4 Metallboxen und meine 4 Ersatzräder noch im Servicetruck auf dem Schiff von Dakar nach Marseille, zusammen mit der Ausrüstung aller anderen Piloten aus dem Team.

Auch Wolfgang und Enzo haben es bis ins Ziel geschafft. Das Reglement wurde für sie gelockert. Nach einem Transport mit dem Helikopter und 3maligem Aussetzen ist man in der Rallye-Wertung eigentlich ausgeschieden. Aber beim Africa Eco Race versucht die Organisation möglichst allen Piloten die Zieleinfahrt zu ermöglichen. Auch Lee Salt hat seine Africa Twin ins Ziel gebracht.

Der 14. Januar 2019 war ein Tag im und ums Hotel. Am Pool befanden sich auch die Holländer vom Team van Velsen und assen genüsslich Schweizer Schokolade, welche Bruno mitgebracht hatte. Aad van Velsen hat mir dann gesagt, dass seine Mannschaft im letzten Biwak in Saint Louis bereit gewesen wäre, meinen Quad auch in einer Nachtschicht wieder fahrbar zu machen. Sie hätten sich schon organisiert und Pläne geschmiedet. Unglaublich!

Die Heimreise von Bruno und mir war dann lang und anstrengend. Es hat aber alles gut geklappt. Nun versuche ich hier anzukommen. Meine Gedanken gehen immer wieder zurück in die Rallye, ich erinnere mich an Erlebtes und an kleine Details. Mehr dazu werde ich Euch an unserem Jahresfest erzählen. Einen Termin dafür gebe ich in den nächsten Wochen bekannt.

Zum Abschluss bedanke ich mich nochmals herzlich bei Euch allen. Ihr habt es möglich gemacht, dass ich diese lange Rallye fahren konnte und mein Lebenstraum wahr wurde.

Angelica Weiss

Abendessen EAO HPNach einem Abendessen in Belgien zusammen mit dem Teamchef von EAO Rallye Racing Martin Fontyn und seinem Assistenten Tom Kennis sind wir mit Quad und Materialboxen wieder in der Schweiz angekommen. 

  

FIPA TransporterBesten Dank an dieser Stelle an Esther Bertholet von FIPA. Wer einen Transporter mieten möchte, wendet Euch an Esther Bertholet.

  

 

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